Am liebsten würde sie wohl schreien, laut schreien.
Sie ist genervt, ausgebrannt, enttäuscht, wütend, alles auf einmal. Vor allem ist sie ausgebrannt. Sie hat das Gefühl, gegen Mauern zu rennen. Gegen zu schwere Türen, die sich nicht öffnen lassen. Manchmal einen kleinen Spalt, aber eben nie genug, um endlich Licht in diesen Raum zu lassen.
Gleichzeitig hat sie uns die Tür zu ihrer Welt weit geöffnet. Hat uns teilhaben lassen an ihren Schwierigkeiten, die Welt zu verstehen. Die Welt, die die meisten von uns hören können. Sie aber nicht. Und deswegen hat sie darum gekämpft, dass diese Welt sich verdammt nochmal die Mühe gibt, ihr die Informationen auf eine andere Art zukommen zu lassen.
Sie hat gebloggt, ist quer durch die Republik gereist, um auf Veranstaltungen für ihr Recht auf Gleichbehandlung einzustehen. Auf Twitter hat sie einen Ableseservice bei Fussballspielen angeboten. Sie war also nicht nur mit Bierernst für ihr Thema unterwegs, sondern hat ihre Fähigkeit auch eingesetzt, um andere auf unterhaltsame Art und Weise an die Problematik der Barrieren hinzuweisen. Der Barrieren, die verhindern, dass Gehörlose aufgrund fehlendem Willen der Politik an Informationen gelangen können. Die verhindern, dass Gehörlose teilnehmen können an der Welt wie wir Hörenden auch.
Julia Probst, auf Twitter nicht wenigen bekannt als "Ein_Augenschmaus" wirft hin. Sie will nicht mehr kämpfen, weil sie das Gefühl nicht los wird, es sei umsonst. Sie wirft hin, weil sie das Gefühl hat, die Politik und die Entscheider nehmen sie nicht ernst.
Ich selbst habe Julia leider nur einmal persönlich auf einer Twittwoch-Veranstaltung getroffen. Wir haben leider viel zu kurz miteinander gesprochen. Julia ist eine wunderbare junge Frau, die mit einer starken Präsenz auf sich aufmerksam macht. Auf mich hat sie einen grossen Eindruck hinterlassen. Und ein Augenschmaus ist sie ausserdem. ;-)
Liebe Julia, Du hast nicht umsonst gekämpft. Du bist gehört worden. Vielleicht noch nicht von denen, deren Aufgabe es eigentlich ist, jedem Bürger den barrierefreien Zugang zu Informationen zu verschaffen. Manchmal dauert es eine Generation, bis Veränderungen kommen. Manchmal muss man wieder auf Anfang und alles geduldig nochmal erklären, bis es der andere versteht.
Du hast mit Deinem Einsatz dazu beigetragen, dass mehr Menschen auf Barrieren im täglichen Leben aufmerksam wurden.
Und ich wünsche Dir, dass Du nach einer erholsamen Pause den Kampf wieder aufnimmst.
Ich bin sicher, Du wirst viel Unterstützung bekommen. immer mehr, bis die Dinge so sind, wie sie sein sollen: Barrierefrei.
Also, nimm Anlauf, Julia, und dann renn nochmal los, mit mehr Kraft als zuvor. Alles Liebe.
*** Twittern
Ich habe zum ersten Mal davon erfahren. Und ich wünsche mir nach diesem Text, dass Julia Probst weitermacht. Wir haben hier in der Produktion eine gehörlose Maskenbildnerin, deren einnehmendes Wesen und deren gute Arbeit fragen lässt, warum man Menschen mit einem Handicap nicht viel öfter viel mehr Verantwortung überträgt - sie werden sie auf jeden Fall ernster nehmen als manch anderer.
AntwortenLöschenSeit einiger Zeit bin ich @Ein_Augenschmaus auf Twitter gefolgt. Im Strom der sehr guten und mässigen Tweets waren Julia Probst immer mein besonderes Highlight. Für meinen Arbeitgeber und privat bin ich im Netz unterwegs. Es ist mir nicht gelungen, Julias Anliegen aufzunehmen und umzusetzen. Dazu hätte ich mir mehr Zeit zur Einarbeitung und Umsetzung beim Thema Barrierefreiheit nehmen müssen. Dennoch haben die Tweets von @Ein_Augenschmaus das Bewusstsein für das Problem bei mir geweckt. Kein Post, keine neue Webseite, bei dem nicht in meinem Kopf ihre Stimme sagte: "Barrierefreiheit?!" @Ein_Augenschmaus: Ich werde deine Tweets vermissen, und ich hoffe, dass deine Stimme in meinem Kopf nicht verstummt bis bessere Taten als bisher folgen.
AntwortenLöschenDanke Michael für den lieben Blogeintrag über mich und die lieben Worte.
AntwortenLöschenAber ich nehme keinen Anlauf mehr. Der Vorhang ist wirklich gefallen.
Und das ist auch gut so.