Samstag, 26. November 2011

Wollt Ihr uns verarschen?

RANT-START

Normalerweise sprechen wir in unsrer Branche ja nicht gerne über Projekte, die nicht geklappt haben. Die meisten, weil sie schlicht nicht zugeben wollen, bei einem Projekt nicht in die Endrunde gekommen zu sein. Mir ist es relativ egal. Ich freue mich, wenn Projekte klappen, und ich bin meist nicht traurig, wenn etwas nicht klappt.

Was ich in den letzten zwei Tagen allerdings erlebt habe, ist mal wieder so ein Beispiel von Verarsche.

Zunächst der positive Teil der Geschichte:

Über Facebook schreibt mich am Mittwoch eine ehemalige Kollegin an und teilt mir mit, dass sie mich für ein Projekt einer bekannten Versicherung vorgeschlagen hat. Es geht darum, einen Schulungsfilm für Mitarbeiter zu drehen. Die Gage ist in Ordnung und so sage ich zu, mit den Verantwortlichen zu sprechen.

Kurz drauf ruft mich ein junger Mann an und wir reden über das Projekt. Er ist nicht selbst Entscheider, sondern arbeitet für einen Agentur, die wiederum für eine Agentur der Versicherung tätig ist. Er erzählt mir, was zu tun sei und ich bin einverstanden. Es ist recht kurzfristig, denn bereits am Dienstag soll der Dreh stattfinden, also in 6 Tagen. Ich bitte darum, die Fahrtkosten zusätzlich erstattet zu bekommen, da sie doch immerhin knapp 160,- € betragen.

Wir kommen überein, dass wir am nächsten Tag wieder telefonieren, um die nächsten Schritte zu besprechen.

Donnerstag klappt es leider nicht mit dem Kontakt, aber am Freitag morgen erreicht mich der im Übrigen sehr nette junge Mann wieder und ich merke schon an seiner Einleitung, dass irgendwas nicht in Ordnung ist.

Nun also der negative Teil der Geschichte:

Die Agentur, die von der Versicherung mit der Produktion des Schulungs-Videos beauftragt ist, hat nicht nur das Projekt kurzfristig geändert, sondern auch die Gesamtgage um 50% gekürzt. Ja, sie fänden, ich sei der Richtige für das Projekt, aber sie würden eben nur noch die Hälfte an Budget für den Dreh zur Verfügung stellen. 4 Tage vorher nach dem Motto: Friss oder stirb!

Der junge Mann hatte ein richtig schlechtes Gewissen, dieses Telefonat mit mir führen zu müssen. Er sagte mir, dass er bereits der Agentur mitgeteilt habe, dass man so nicht mit einem potentiellen Auftragnehmer umgehen kann.

Langer Rede kurzer Sinn:

Natürlich ist es nix mit diesem miesen Job. Erstens mache ich meinen persönlichen Preis kaputt, zweitens würde mir bei einer zukünftigen Zusammenarbeit jede Argumentationsgrundlage fehlen, eine höhere Gage zu erzielen. Und drittens werden alle anderen Kollegen, die in Zukunft für ein solches Projekt angesprochen werden, immer mit dem Verweis konfrontiert werden, dass andere auch schon zu dem Preis gearbeitet haben.

Den Namen der Versicherung, für die das Projekt geplant ist, werde ich nicht nennen. Am Schluss knallen sie mir noch ne Abmahnung in den Briefkasten. Nur eine kleine Zahl: Beitragseinnahmen über 4 Milliarden Euro.

Alles klar? Nix ist klar! Wollt Ihr mich verarschen?


Manche mokieren sich gerne darüber, dass wir doch so hohe Gagen hätten, dass wir uns doch mal nicht so anstellen sollten und auch mal für etwas weniger arbeiten sollten.

Ich mache gerne mal eine Rechnung auf:

Wenn ich mit einer Gage von z.B. 1.000 ,- € am Tag 5 Tage die Woche arbeiten würde, vier Wochen im Monat und 12 Monate im Jahr, dann wäre das allerdings ein verdammt gutes Einkommen.

Wenn ich aber, wie ich z.B. im Jahr 2010 gerade mal zwei bezahlte Drehtage und 12 unbezahlte (weil für junge Regie-Anfänger/innen gearbeitet) hat, dann  ist das doch eher noch unter dem, was andere an Hartz IV bekommen. Wohin es im Übrigen viele meiner Kollegen treibt, wenn wir nicht in der Gastronomie oder einer anderen Branche Unterschlupf finden, in der man mal Schichten tauschen kann, wenn man (immer kurzfristiger) ein Engagement angeboten bekommt.

Kleine Geschichte dazu gefällig?

Die öffentlich-rechtlichen Sender zahlen bereits geringere Gagen für Schauspieler/innen, die an Debüt-Filmen junger Regisseure/innen teilnehmen, ProSiebenSat1 verlangt mittlerweile von uns, dass wir fast umsonst arbeiten für Filme junger Regisseure, die in der PRIMETIME ausgestrahlt werden sollen.

Also in der Zeit, in der sie das meiste Geld verdienen!!! Das nennt sich Nachwuchsförderung. Kann man sich mal durchlesen.

RANT-ENDE

1 Kommentar:

  1. Es ist doch super wenn Kollegen soviel Rückgrat haben nicht um jeden (miesen) Preis zu arbeiten. Danke Michael. Ich unterstreiche jedes Wort was du geschrieben hast.

    lg
    Lois

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Danke für Deinen Kommentar.
Er wird geprüft und solange sich darin keine Hetze, Beleidigung oder einfach irgendwas, was mir nicht passt drinsteht, wird er in Kürze veröffentlicht. Schönen Tag.