Was mir auffällt, ist die sehr freundliche Art der Anfrage. Die Dame schreibt über den Inhalt des Films, den zu erwartenden Zeitaufwand und ob ich ich Lust und Zeit hätte, sie bei ihrem Projekt zu unterstützen.
Erster Gedanke
Pluspunkt für die junge Dame. Freundliches Vorstellen, kurzer Anriss des Projekts, herzliche Grüsse.
Zweiter Gedanke
Wieder mal so ein unbezahlter Drehtag.
Dritter Gedanke
Sie hat die Mail so formuliert, dass ich das Gefühl bekomme, sie weiss, was sie will. Das imponiert mir.
Vierter Gedanke
Zusage. Zwei Sätze. "Ich helfe gerne. Lass uns morgen telefonieren."
Drehen mit Filmhochschülern hat viele Unbekannte und eine Konstante.
Unbekannte:
Man weiss nie, wem man da gegenüber tritt. Sind es Menschen, die wissen, was sie sich antun, in dieser Branche Fuss fassen zu wollen? Sind es Menschen, die überzeugt sind, die Welt braucht ihre Filme? Sind es, auch das ist mir mehrmals passiert, Menschen, die so von sich überzeugt sind, dass sie einen Rat zur Seite wischen, weil sie doch die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Warum tut man sich sowas an? Warum gibt man seine Freizeit auf, um anderen bei einem Film-Projekt zu helfen, von dem man eventuell nie etwas hat. Damit kommen wir zur ...
Konstante:
Es gibt keine Gage. Man arbeitet für Ruhm und Ehre und das gute Gewissen, geholfen zu haben. Man arbeitet für junge Filmemacher, die eventuell irgendwann einen kommerziellen Film produzieren und sich daran erinnern, wer ihnen am Anfang geholfen hat. Ausserdem hat man wieder mal Material für sein Showreel.
Den Filmhochschüler/innen steht ein Mini-Budget zur Verfügung. In diesem Fall sind es 400,- €. Equipment stellt ihnen die Hochschule, Extrawünsche müssen sie sich irgendwie organisieren. Sponsoring, auch versteckt, ist verboten. Das macht es schwer, wenn man seine Filmidee nach und nach kleiner basteln muss, als man es beim ersten Gedankenblitz und dem Brainstorming gerne hätte.
Laura Kansy, so heisst die junge Dame, bedankt sich für meine Bereitschaft und wir beschliessen zu telefonieren. Ein 10-Minuten Film über Depressionen (Arbeitstitel. "Zwischenraum") soll entstehen, ein Protagonist, viele POV-Shots, Off-Text hinter den Bildern.
Abermals bemerke ich, wie sehr mir die junge Dame imponiert. Ihre Stimme ist klar, bestimmt, sie weiss, was sie will, sie hat sich lange mit Depressionen beschäftigt, sprich, sich darüber informiert, hat Betroffene interviewt und deren Aussagen zu einem Drehbuch verarbeitet. War mir schon bei der ersten Mail klar, dass ich dabei bin, festigt sich diese Entscheidung nach diesem Telefonat.
Drehtag
Am Vortag meldet sich Laura per Mail und telefonisch, um mir noch nochmals zu danken und mitzuteilen, dass ich von zuhause abgeholt werde und selbstverständlich nach Drehschluss wieder nachhause gefahren werde. Ich bin beeindruckt. Da die ersten Bilder am Hauptbahnhof gedreht werden sollen, wäre ich selbstverständlich selbst gekommen und hätte mir später ein ZebraMobil genommen, um zum zweiten Drehort am Walchensee zu kommen. Also Abholung.
Schauspieler mögen es, wenn sie abgeholt werden. Das hat zwei Vorteile. Mann kann im Auto nochmal seinen Text durchgehen oder wie ich es meist tue, lernen. ;-) Ausserdem weiss die Produktion dadurch, wo sich der Schauspieler befindet und das ist bei manchen Kollegen durchaus sinnvoll. Auch ich wurde mal aus einer Kneipe geholt, weil krankheitsbedingt Drehs umgestellt werden mussten. Selber fahren wäre in dem Fall gar nicht gut gewesen. ;-)
Ein junger Mann, der Produktionsleiter, ebenfalls Filmhochschüler, steht pünktlich vor der Tür, entschuldigt sich für den Zustand des Privatwagens (wenn der wüsste, wie meine Karren amnchmal aussahen) und fährt mich zum Hauptbahnhof. Dort werde ich von einer weiteren Studentin abgeholt und zum Set gebracht. Alle da und bereit zum Dreh.
Catering
Ich will mir noch schnell einen Kaffee besorgen, da werde ich schon gefragt, ob ich etwas frühstücken möchte. Es gäbe ein Budget für die Verpflegung. Nicht das erste Mal bei dieser Produktion, dass ich anerkennend bemerke, es hier mit Profis zu tun zu haben. Junge Studenten, die perfekt vorbereitet, den Schauspieler in einen Zustand versetzen möchten, in dem er sich wohl fühlt und komplett auf sich und die Rolle konzentrieren kann.
Unaufgeregt professionell ist der Umgang des Teams untereinander und mit mir. Laura erklärt mir klar, was sie gerne möchte, wir drehen, sie gibt verständliche Anweisungen. Ich fühle mich ab dem ersten Moment wohl.
Vier Einstellungen später bekomme ich ein Getränk, eine Brezn und zwei Kitkat-Riegel von Laura überreicht. Ich erfahre, dass ich ca. 1 Stunde Pause habe, bevor wir gemeinsam zum nächsten Drehort fahren. Zufrieden sitze ich auf der Treppe am Bahnhof und muss schmunzeln, als ich genüsslich ins "Have a break - have a Kitkat" beisse. Selbst an diese Kleinigkeiten wird hier gedacht.
Ohne Mampf kein Kampf. Dieser aus dem Militär stammende Satz gilt auch und insbesondere für Film-Crews. Ein Catering entscheidet über die Laune der Mannschaft. Kleine Snacks und ein ordentliche Verpflegung heben die Moral der Truppe.
Abfahrt zum Walchensee, wo auch Wickie gedreht wurde. Wir sind nur zu fünft. Ein Mädel, dass als Aufnahmeleiterin und Absperrhelferin anwesend war, verabschiedet sich. Selbst daran haben sie gedacht. Ich bin immer mehr beeindruckt.
Ich war an Sets, auch an sogenannten professionellen, da hat so gut wie gar nichts funktioniert. Keine Vorbereitung, kein Plan und kein Catering. Da kommste an und willst eigentlich direkt wieder gehen.
Am Walchensee beschliesst die Truppe, erstmal Mittagspause in einem Restaurant am See zu machen. A la carte. Ist alles im Budget von 400 ,- € drin. Eine gute Gelegenheit, sich etwas näher kennenzulernen. Sympathisch waren sie mir eh schon ab dem ersten Moment, aber diese Unaufgeregtheit, diese entspannte Atmosphäre ist, wenn nicht einzigartig, dann doch zumindest begeisternd. So macht ein Dreh wirklichen Spass.
Nach dem Mittagessen werden die nächsten Bilder gedreht, wie bereits vorher wissen alle, was sie zu tun haben. Trotz viel Arbeit werden wir vor dem geplanten Drehschluss fertig und können die Heimreise antreten.
Dankeschön
Dann passiert etwas, was mich dazu bewegt hat, diesen Blogpost zu schreiben. Der Produktionsleiter Julian Anselmino überreicht mir im Namen des Teams eine Flasche Rotwein und bedankt sich für die Zusammenarbeit. Ich bin, ich hab es bereits mehrfach erwähnt, mal wieder beeindruckt. Wurde ich doch bereits zum Frühstück eingeladen, bekam einen Snack nach den ersten Bildern, wurde mit einem warmen Mittagessen beglückt und hatte einen runden Drehtag. Jetzt bekomm ich auch noch ne Flasche Wein geschenkt als Dankeschön.
Ich gebe zu, dass ich keine Ahnung von Rotwein habe und nur unterscheide zwischen "schmeckt" und "schmeckt irgendwie komisch". Als ich aber vom Dreh in meine Stammkneipe gefahren wurde und dort meinen Freunden stolz von diesem überaus angenehmen Drehtag und dem Dankeschön-Wein erzählte, wies mich ein Freund darauf hin, dass dies keine Flasche aus dem Supermarkt sei, sondern ein richtig guter Wein im oberen Preissegment. Das liess mich kurz überschlagen, dass alleine für mich an diesem Tag knapp 20 Prozent des knappen Budgets ausgegeben wurde.
Als ich heute morgen meinen Rechner starte und meine Mails checke, lese ich eine Mail von Laura. Betreff: "war ein toller Drehtag mit Dir"
Das obligatorische Bild mit Laura Kansy für die Presse.
Der junge Mann im Hintergrund, Stefan Dworak, stand den ganzen Tag hinter der Kamera, der darf jetzt endlich auch mal mit aufs Bild. ;-)
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