Donnerstag, 8. Dezember 2011

Netzkompetenz - oder occupy Twitter?!

Lange habe ich gebraucht, um diesen Post auf die Reihe zu bekommen. Warum? Weil ich ehrlich gesagt baff war und mir die Worte fehlten. Jetzt hab ich sie wieder gefunden.

Hier der Grund für meine vorübergehende Sprachlosigkeit:


Was zunächst wie eine fröhliche und ernstgemeint Begrüssung einer neuen Nutzerin des Microblogging-Dienstes Twitter aussieht, zeigt bereits im ersten Wort das Unverständnis und Unbelehrbarkeit.

Netzkompetenz

Warum beweist ein Twitter-Account Netzkompetenz? Und warum spricht man im gleichen Atemzug dem politischen zukünftigen Koalitionspartner Gegner jegliche Netzkompetenz ab, weil er oder sie nicht auf Twitter vertreten sind?

Warum beweist insbesondere die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen Kompetenz, wenn sie, die bisher nicht als besonders zukunftsorientiert galt, nun auch twittert? Liebe Frau Steinbach, ich greife Sie hiermit gar nicht persönlich an. Das Schicksal der Vertriebenen ist unbestritten. Aber darum geht es hier auch gar nicht. Das, um was es mir geht, ist etwas ganz anderes.

Seit einiger Zeit, auffallend nach dem Erfolg der Piraten in Berlin, strömen immer mehr C-Politiker ins Netz. Nein, ich meine nicht drittklassige Hinterbänkler, sondern die Damen und Herren aus den "christlichen" Parteien. War für sie das Netz bisher allenfalls ein Hort des Bösen, haben sie es jetzt als Kommunikations-Plattform entdeckt. Nicht mehr oneway, also von Politiker zu Bürger, sondern auch umgekehrt soll der Datenstrom fliessen. Sollte man meinen.

Kommunikations-Plattform Internet

Wirklich? Kommuniziert wird, das ist unbestritten. Aber was wird kommuniziert? Wird ernsthaft der Dialog gesucht, werden andere Meinungen und Denkrichtungen hinterfragt? Oder ist es nicht vielmehr so, dass die C-Politik mal wieder den Versuch startet, Meinungshoheit zu erlangen?

Meinungshoheit zu erlangen wird dadurch versucht, dass man die Timelines fluten möchte flutet mit den von der Partei vorgegebenen vorgefassten vorformulierten typischen Aussagen, die dann von einem Heer von Mitarbeitern, Zuarbeitern mit "+1"  retweetet werden.

Meinungshoheit zu erlangen, ist wichtig für die konservative Grundeinstellung der "neuen C-Twitties", denn das ist die Methode, mit der sie seit Jahren, Jahrzehnten Politik in diesem unserem Lande gestalten.

Meinungshoheit zu erlangen auch deswegen, weil sie die Meinungshoheit im Netz von Anfang an nie hatten. Weil sie erschreckt feststellen, dass das Netz und die Möglichkeiten viel mehr bieten als Reisen zu buchen, lustige Filmchen zu finden und sich selbst darzustellen.

Weil sie spätestens nach der Petition gegen die Netzsperren schmerzlich lernen mussten, dass sich ausserhalb der One-Way-Medien Fernsehen, Radio und Zeitungen/Zeitschriften eine Gruppe von politikinteressierten Menschen einen eigenen Kanal inklusive Rückkanal geschaffen hat, um wirklich zu kommunizieren, und zwar in alle Richtungen. Manchmal kontrovers, aber  z.b. wie im Falle des Kampfes gegen die Netzsperren partei- und ideologieübergreifend mit dem gemeinsamen Ziel, dieses Instrument zu verhindern.

Shitstorms

Wenn ich mir Piraten-Twitteristi und ihre teilweise aggressiven Shitstorms gegen einzelne Mitglieder ansehe, dann sehe ich zumindest Bewegung. Bewegung innerhalb der Bewegung. Teilweise völlig verschiedene Meinungsbilder, auch mal völlig verhärtete Fronten, aber immer meistens die Bereitschaft zum Diskurs und der Bereitschaft, eine Lösung zu finden.

Ein Shitstorm hat den Nachteil, dass er manchmal Deine Timeline verstopft und den Einzelnen vielleicht annervt. Aber auch ein Shitstorm ist ein Ausdruck von demokratischem Miteinander. Jeder hat das Recht, seinen Senf dazu zu geben und manche viele nehmen sich dieses Recht.

Und das ist auch gut so. Denn nur, wenn viele ihre Meinung gesagt haben, ihre Ansichten dargelegt haben, ihre Einstellung kundgetan haben, kann Bewegung in die Sache und damit auch in die Politik kommen. Nur, und nur dann werden neue Ideen geboren, Kompromisse gefunden, Wege und Lösungen aufgezeigt.


Retweet als Instrument zur Erlangung der Meinungshoheit

Ich habe vor kurzem einmal gewittert, warum ich manche Tweeds retweete:


Ich retweete nicht nur Tweets, die ich inhaltlich unterstütze oder lustig finde, sondern auch, um meiner Timeline, also meinen Followern (die ich natürlich sehr subjektiv zusammengestellt habe) andere Meinungen ohne Kommentar zukommen zu lassen. Damit sie sich selbst eine Meinung bilden. Manches auch nur aus dem im obigen Screenshot genannten Grund. ;-)

Natürlich retweete ich auch mit einem "+1" wenn mir eine Aussage besonders gut gefällt und ich drücke mit diesem "+1" meine absolute Unterstützung für diesen Tweet aus.

Wenn ich mir aber ansehe, wie die C-Twitterer und ihre Unterstützer, Freunde, Mitarbeiter, Zuarbeiter, Willigen auch auf Twitter versuchen, die Meinungshoheit zu erlangen, dann muss ich behaupten:

Ihr habt das Prinzip des Netzes nicht verstanden!

Das Netz ist chaotisch, das Netz ist bunt, das Netz ist vielfältig und es kann nicht dazu genutzt werden, eine Meinungshoheit zu erlangen. Denn irgendwo wird jemand sein, der sich gegen irgendetwas ausspricht. Und das ist auch gut so. Das Netz ist wirklich ein Meer von Meinungen, eine Welle, die eben noch den Strand erreichte, hat eine völlig andere physikalische Zusammensetzung, wenn sie wieder zurück in den Ozean fliesst.

Solange das Netz von Euch genutzt wird, um Eure festgefahrenen Thesen und Programme unters Volk zu bringen, werdet Ihr scheitern. Solange Ihr immer noch davon ausgeht, dass Eure Meinung die unfehlbare ist, und sich die anderen bei aller Diskussion doch bitte Eurer Meinung anschliessen sollten, werdet Ihr scheitern.

Wenn Ihr anfangt, Eure Thesen und Programme frühzeitig selbst zu hinterfragen, habt  Ihr eine Chance, dass die Menschen bereit sind, Euch an der Zukunft für unsere Land und unseren Planeten als Vorreiter zu akzeptieren. Aber eine Meinungshoheit werdet Ihr auch dann nicht erlangen. Eine Meinungshoheit gibt es nicht mehr. Die Grünen haben als erste angefangen, Euch und Eure Politik zu hinterfragen, die Piraten tun es ebenfalls seit einiger Zeit.

Einen Ausstieg aus der Atomenergie erst nach einem verheerenden Super-GAU zu beschliessen, zeigt die Scheuklappen-Mentalität, mit der Ihr bisher Politik betrieben habt. Augen zu und durch, egal, was Kritiker sagen, schreiben, beweisen und Euch Jahrzehnte vorhalten. Wir melden, Ihr da unten habt das zu akzeptieren und alle vier Jahre abzunicken. Diese Zeiten sind vorbei.


Lieber Peter Altmeier, das Netz kann viel mehr als wir alle denken. Und nur wer sich wirklich mit den gesellschaftlichen und politischen Problemen auseinandersetzt, mit den Menschen kommuniziert, ihre Probleme und Ängste ernst nimmt, wird diese Revolution überleben. Alles Gute.


***

Du magst mir ein Bier ausgeben? Gerne und Danke :-)

1 Kommentar:

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